Exodus 17,3–7: Wasser aus dem Felsen – Wasser für den Weg (2024)

Exodus 17:

3Das Volk dürstete in der Wüste nach Wasser und murrte gegen Mose. Sie sagten: Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt? Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen? 4Mose schrie zum Herrn: Was soll ich mit diesem Volk anfangen? Es fehlt nur wenig, und sie steinigen mich. 5Der Herr antwortete Mose: Geh am Volk vorbei, und nimm einige von den Ältesten Israels mit; nimm auch den Stab in die Hand, mit dem du auf den Nil geschlagen hast, und geh! 6Dort drüben auf dem Felsen am Horeb werde ich vor dir stehen. Dann schlag an den Felsen! Es wird Wasser herauskommen, und das Volk kann trinken. Das tat Mose vor den Augen der Ältesten Israels. 7Den Ort nannte er Massa und Meriba (Probe und Streit), weil die Israeliten Streit begonnen und den Herrn auf die Probe gestellt hatten, indem sie sagten: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?

Dietrich Bonhoeffer hat einmal seinen jungen Seminarstudenten ans Herz gelegt: „Man muss die Bibel lesen wie einen Liebesbrief.“ Das ist ein guter Schlüssel, um die alten vertrauten und auch weniger vertrauten Texte lebendig werden zu lassen. In einem Liebesbrief liest der Adressat immer mehr, als in den Buchstaben geschrieben steht. Er übersetzt die Worte in die Beziehung, die zwischen ihm und dem Absender besteht. Er übersetzt sie in die Sehnsucht und den Traum der Liebe. Und das, was gestern oder vorgestern geschrieben wurde, ist beim Lesen ganz heute und gibt Schwung für die kommenden Stunden und Tage.

Exodus 17,3–7: Wasser aus dem Felsen – Wasser für den Weg (1)... so die Bibel lesen? Ich will es versuchen mit der alten Erzählung über Mose, der Wasser aus dem Felsen schlägt.

Irgendwie kommt mir die alte biblische Geschichte sehr vertraut vor. Da sind die Israeliten voller Dynamik aus Ägypten aufgebrochen, - sie haben Großartiges am Schilfmeer erlebt, - aber dann kommt der lange Weg durch die Wüste – und der Schwung versandet - buchstäblich. Die Vergangenheit, die sie hinter sich gelassen haben und hinter sich lassen wollten, wird verklärt und der charismatische Führer als irrlichternder Verführer angeklagt. Das alles ist ziemlich zeitlos modern. Es passiert immer wieder.

Und Mose ist ganz einfach Weg-Gefährte seines Volkes in diesem Geschehen. Er ist Israelit unter Israeliten. Sein Mut, zu neuen Ufern in ein gelobtes Land aufzubrechen, ist angesichts des Unmuts seines Volkes in Frage gestellt. Er zweifelt an sich, - seiner Vision, - seinem Auftrag und an seinem Gott. Er steht mit dem Rücken an der Wand, vor einer Felswand und sieht keinen Weg weiter. Sie reden hinter seinem Rücken und sagen ihm auch ins Gesicht, was sie von ihm denken. Sie werden ihn steinigen und er fühlt sich gescheitert. Auch das ist gar nicht so ferne Vergangenheit. Es ist immer wieder neue Gegenwart, die mir selbst und wohl auch anderen passiert.

Mose betet seine Verzweiflung aus sich heraus, - nicht demütig sanft, sondern im Schrei der Anklage und Verzweiflung. Und er hört ganz tief in sich eine Antwort. Er deutet sie als Stimme Gottes, der ihn im Dornbusch, - vor dem Pharao, - und am Schilfmeer ermutigt hat.

„Viele reden über dich und geben dir an allem Schuld. Lass dich durch sie nicht blockieren. Geh an ihnen vorbei. Schau nach den Weitblickenden, den Ältesten aus und nimm sie zur Seite. Sie sind nur wenige, aber sie haben aus Erfahrungen gelernt und können dir zur Seite stehen.“

„Und: achte nicht gering, was du in der Hand hast. Du schaust zweifelnd und verdutzt? Du hast doch nur deinen Hirten- und Wanderstab in der Hand? Du hattest ihn in der Hand am Dornbusch. Er war in deiner Hand, als du vor dem Pharao standest. Du hast ihn über das Schilfmeer ausgestreckt. Du hast ihn jetzt in der Hand. War dieses vertraute Alltagsding nicht immer ein Schlüssel zur guten Erfahrung mit mir? Nimm deinen Alltagsstab fest in die Hand und glaube an mich! Klopfe bei mir an! Ich öffne dir.“

Was immer er auch über die Worte Gottes denken mag, Mose tut, was er gehört hat. Und der harte Felsen wird weich. Wasser fließt aus ihm heraus. Das Volk trinkt. Sein Durst kann gelöscht werden. Das Volk hat wieder Kraft für den Weg durch die Wüste. Es hat Lebensmut gewonnen.

Mose tut dann noch etwas ganz Wichtiges. Er gibt dem Ort einen Namen. Mit diesem Namen schreibt er das wundersame und wunderbare Geschehen in seine eigene Erinnerung und in die seines Volkes fest. Er will es nicht vergessen. Er wird es mit sich nehmen auf der weiteren Wanderung durch die Wüste, um darauf zurückzukommen, wenn das Wasser wieder einmal knapp wird, - der Mut sinkt und die Fragen zahlreicher sind als die Antworten. Da war einmal der Dornbusch ..., - da gab es einen Weg durch das Schilfmeer ..., - da floß doch Wasser aus dem Felsen ... Es wird auch heute einen Weg geben. Das erträumte gelobte Land liegt vielleicht noch weit vor mir, aber ich habe bereits ein wenig davon gesehen. Und das lockt mich weiter.

Wenn wir die Bibel wie einen Liebesbrief lesen, dann bleiben wir nicht als neutrale Betrachter draußen vor. Wir selbst kommen darin vor. Wir sind mitten im Geschehen. Solches Lesen macht die Bibel lebendig und macht uns lebendiger.

Abt Albert Altenähr OSB
2005-02-08

Für die Kirchenzeitung Aachen, 3. Fastensonntag, 27.02.2005.

Exodus 17,3–7: Wasser aus dem Felsen – Wasser für den Weg (2024)

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